Neues Sextett vervollständigt ursprünglichen Klang von St. Michael
In Hessen wurden sechs neue Glocken für die ehemalige Abteikirche gegossen
Die Hitze ist außergewöhnlich für einen Tag im November. In der Luft liegt der Geruch von geschmolzener Bronze, als sich eine Abordnung aus Bamberg versammelt, um einem Ereignis beizuwohnen, das die klangvolle Bamberger Geschichte künftig prägen wird. In der traditionsreichen Glockengießerei Rincker im hessischen Sinn werden gleich sechs neue Glocken für die ehemalige Abteikirche St. Michael hergestellt.
Bis ins Jahr 1610 gab es in St. Michael insgesamt elf Glocken, die jedoch bei einem verheerenden Brand vernichtet wurden. Nur teilweise wurden diese anschließend wieder hergestellt. Über das mittelalterliche Geläut ist wenig bekannt, doch bereits Vorgängerglocken waren den Heiligen Michael, Benedikt und Otto geweiht und mit deren Bildnissen versehen. Die aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammenden Bestandsglocken St. Kunigunde und St. Heinrich im Dachreiter über der Vierung sowie St. Michael, St. Benedikt und St. Otto im Südturm erhalten nun Verstärkung durch sechs neue Glocken im Nordturm. Diese heißen St. Gabriel, St. Raphael, St. Maria, St. Elisabeth und St. Katharina. Die Heiligen-Namen der beiden letzten Glocken erinnern an die heutige Eigentümerin der Kirche und deren Ursprünge: die Bürgerspitalstiftung Bamberg. Diese entstand im Jahr 1804 und ging ursprünglich aus der Zusammenlegung von Katharinen- und Elisabethenspital hervor. Bei der sechsten Glocke handelt es sich um ein Silberglöckchen, das es bereits im Jahr 1614 gab, aber seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen ist.
„Es ist ein historischer Tag heute“, sagt Stiftungsreferent Bertram Felix, der voller Freude vor Ort dem Ereignis beiwohnt. „Diese Glocken werden nicht nur Töne erzeugen, sie werden Geschichten erzählen und uns an unsere Wurzeln erinnern.“ Routiniert und ruhig führen die Handwerker der Firma Rincker die vorbreitenden Arbeiten durch. Es ist eine feierliche Zeremonie, zu der es auch gehört, dass Diakon Josef Geißinger aus dem Katholischen Seelsorgebereich Bamberger Westen den Akt des Gießens segnet, ehe dieser beginnt.
Ein traditionsreiches Verfahren
Angewandt wird hier das Lehmformverfahren, das bereits im 12. Jahrhundert entwickelt wurde. Dabei wird zunächst der Kern aus Ziegel- oder Lehmsteinen hohl aufgemauert und mit Hilfe von gedrehten Schablonen in Form gebracht. Auf den Kern wird die „Falsche Glocke“ gesetzt, die in ihrer Größe und mit ihren Verzierungen genau der zu gießenden Glocke entspricht. Zuletzt entsteht der Mantel mit entsprechenden Negativ-Abdrücken durch die „Falsche Glocke“. Die drei Schichten werden durch Rindertalg voneinander getrennt, so dass schließlich die „Falsche Glocke“ sauber entnommen werden kann. Während des Guss-Vorgangs kann somit die heiße Bronze zwischen Kern und Mantel hineinfließen und die Glocke bilden.
Die Besucherinnen und Besucher aus Bamberg rücken näher zusammen und fixieren den Ofen, als letzte Handgriffe getätigt werden. „Im Namen Gottes, wir gießen“, sagen die Arbeiter, dann senkt sich langsam eine Rinne vom Gießkessel herab und glühendes Metall strömt heraus. Rotgold bahnt es sich seinen Weg in vorbereiteten Kanälen von einer fest im Boden eingegrabenen Glockenform zur nächsten. Smartphones werden gezückt und zeichnen den Schaffensakt auf, bei dem das Metall Temperaturen von bis zu 1200 Grad Celsius aufweist. Die Bronze besteht aus 78 Prozent Kupfer, 20 Prozent Zinn und 2 Prozent Fremdanteil. Die schwerste Glocke wird etwa eine Tonne wiegen und einen Durchmesser von einem Meter aufweisen.
Bald schon füllt das Metall die unterirdischen Hohlräume aus, während es die Gäste noch durch das Leuchten und die Hitze wahrnehmen. Während langsam der Prozess der Abkühlung beginnt, der mehrere Tage andauern wird, spricht Diakon Geißinger noch ein Dankesgebet. Dann machen sich die Bambergerinnen und Bamberger auf ihren rund 290 Kilometer langen Heimweg.
Weihe im Frühjahr 2025
Einige Tage später wurden die erkalteten Formen ausgegraben und Mantel und Kern abgeschlagen. Erleichterung bei den Handwerkern: Der Guss ist gelungen. Die Rohguss-Glocken wurden danach mit Wasser und Sand gebürstet, bis sie silbrig glänzten. Minimale Änderungen am Ton und Klang sind noch durch Schleifen möglich, ehe sie von einem Glockensachverständigen abgenommen werden. „Wir freuen uns schon, wenn die neuen Glocken im Frühjahr 2025 in Bamberg eintreffen, geweiht und später erstmals erklingen werden“, blickt
Bertram Felix voraus. Im Nordturm der Kirche St. Michael, die bekanntlich seit mehreren Jahren aufwendig saniert wird, soll das Geläut in neuen Glockenstühlen aus Eiche aufgehängt werden. „Wenn die verschiedenen Läuteszenarien des neuen Sextetts ertönen, können die drei Glocken im Südturm, ein Spitzenwerk süddeutscher Glockenkunst des 17. Jahrhunderts, geschont werden. Sie sollen auf Grund von Alter und Zustand dann nur noch an höheren Feiertagen zu hören sein“, so Felix.
Fotonachweis: Bürgerspitalstiftung, Lara Müller
Bildunterschrift: 1: Diakon Josef Geißinger aus dem Katholischen Seelsorgebereich Bamberger Westen segnet den Akt des Gießens.
2/3: Bis zu 1200 Grad Celsius ist die glühende Bronze beim Guss-Vorgang heiß.
Quelle: Stadt Bamberg, Amt für Bürgerbeteiligung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit